ERSTE PHASE
ANSATZ - philosophisch - kulturell & wissenschaftlich.
Paradigmenwechsel: Der wissenschaftliche Problemlösungsansatz für Unternehmen
Die philosophisch - kulturellen und wissenschaftlichen Ansätze sind
mit verschiedenen Weltbildern verknüpft, die sehr gegensätzlich (als
Pol und Gegenpol) aufgestellt sein können, wie z.B. Materialismus vs.
Holismus, Naturwissenschaften vs. Ganzheitlichkeit, Altes vs. Neues
Paradigma (Paradigmen sind grundsätzliche kulturelle oder
wissenschaftliche Einstellungen).
Es kann dadurch zwischen den Standpunkten zu Konflikten - bis hin zum
Dilemma - kommen. Pragmatisch orientiert, sollte jedoch ein allseits
akzeptabler Lösungsansatz gefunden werden.
Als Kompromiss bietet es sich an, die unterschiedlichen Ansichten
zunächst nicht Infrage zu stellen. Dies ermöglicht dann Lösungsansätze,
wie den Integrativen Pluralismus, der
Komplexität und Vielfalt unserer
Realität pragmatisch aufnimmt. Des Weiteren gibt es den Ansatz des
tripolaren (auch multipolaren) Denkens, der zunächst von
gegensätzlichen Standpunkten ausgeht, sowie den Konsenz, bei dem
zunächst nach einer gemeinsamen Basis gesucht wird, dem minimalen
Konsens, auf dem dann schrittweise aufgebaut werden kann. Letztlich
bleibt der Konsent, bei dem die stärkeren Argumente sich zunächst -
während einer Testphase - durchsetzen.
Ansatz -
philosophisch-kulturell & wissenschaftlich
Als Ansatz wird die Art und Weise verstanden, wie Probleme im Kontext
mit Unternehmen grundsätzlich zu lösen versucht werden sollten.
Ausgangspunkt sind
1.
Philosophisch -kulturelle und wissenschaftliche Disziplinen mit
materialistischen Charakter, z.B.
•
die neoliberale Wirtschaftstheorie und
•
der Taylorismus,
die sich auf mechanistische (deterministische, lineare,
reduktionistische) Systeme beziehen (der Mensch als „Maschine“
betrachtet). Akteure des Systems sind Maschinen (Technologien)
und Umwelt;
2. Interdisziplinäre (ganzheitliche) Theorien, z.B.
•
die Systemtheorie (als Ansatz für systemisches Denken),
•
die Evolutionstheorie (als Ansatz für natürliche Entwicklungen
des Lebens),
•
die Evolutionäre Erkenntnistheorie (als (evolutionärer)
empirischer Erkenntnis-Ansatz) und
•
der Radikale Konstruktivismus (als Theorie des Wissens),
die sich auf ganzheitliche Systeme beziehen, die nichtlinear,
nichtdeterministisch sind.
Der ganzheitliche Ansatz ist
fokussiert auf zyklische (adaptive) Prozesse in Systemen mit den
Akteuren: Leben, Technologien und Umwelt.
Der Weg zum Erfolg ?
Mit philosophisch - kulturellen
und wissenschaftlichen
Ansätzen (als ethisches
Wertesysteme) lassen sich für
einfache und komplizierte bis
hin zu komplexen und
chaotischen Systemen (z.B. in
Gesellschaften und
Organisationen) vielfältige
Lösungswege (Möglichkeiten)
aufzeigen, die mit
ganzheitlichem (zirkulären)
Denken, unter
Berücksichtigung des realen
Wandels und mit
strategischen Konzepten
verknüpft, erkennen
lassen, wie Transformation
wertschöpfend zu einer Lösung
geführt werden kann.
Das Ganze läuft in fünf Phasen
(entsprechend den
Schlüsselbegriffen: Ansatz -
Denken - Wandel - Konzept -
Transformation) ab.
Entscheidungen, als Teil des
zikulären Denkens, sollten auf
der Basis demokratischen
Prinzipien, ganzheitliche,
pragmatische und
konsensionelle Lösungen
(Ergebnisse) im jeweiligen
Kontext erzeugen kennen.
Das Kernproblem: Die
unterschiedlichen Sichten
(Welt- und Menschenbild)
stehen sich häufig wie Pole (z.B.
als Paradigmen) gegenüber
und scheinen miteinander
unvereinbar zu sein. Ein
Dilemma?
Holismus -
Ganzheit als System der Philosophie
Holismus (Ganzheitslehre)
Der Holismus bzw. die Ganzheitslehre nimmt an, dass die Elemente
eines Systems – einer „Ganzheit“ oder „Gestalt“ – durch die
Strukturbeziehungen vollständig bestimmt sind. Der Holismus ist die
entgegengesetzte Position zum Reduktionismus (Materialismus) und
geht auf Jan Christiaan Smuts in seinem 1926 erschienenen Buch
„Holism and Evolution“ zurück. Holistische Grundauffassungen finden
sich schon in den Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, Georg
Wilhelm Friedrich Hegel und Aristoteles („Das Ganze ist mehr als die
Summe seiner Teile“). Hauptargument des Holismus gegen den
Reduktionismus ist die Problematik der Emergenz, d. h. der nicht
vollständigen Erklärbarkeit des Ganzen aus den Eigenschaften seiner
Teile.
Ganzheit in der Philosophie
Die Begriffe Ganzheit und Gänze sind die Abstrakta des Adjektivs
ganz, das sich in der deutschen Sprache bereits vor dem 8.
Jahrhundert n. Chr. nachweisen lässt. Ganz bedeutet heil, unverletzt
und vollständig. Ganzheit wird verstanden als die Gesamtheit aller
Teile oder die Einheit des in der Erfahrung Gegebenen. Sie bedeutet
im physischen wie auch im moralischen Sinn Integrität, eigentliche
Bestimmung und Vollkommenheit.
Ganzheit ist die auf die Vielfalt angewandte Einheit, und die Teile sind
die Vielfalt selbst, die von der Einheit totalisiert ist. Einheit in diesem
Sinne ist entweder Mitanwesenheit (Nachbarschaft, Nähe, Interaktion,
Funktionszusammenhang) oder homologe Einheit (Gleichheit,
Ähnlichkeit). Einheit kann aber auch in einer zeitlichen Entwicklung als
Kontinuität im Verschiedenen erkannt werden: In der Metamorphose
verwandelt sich die Raupe zum Schmetterling. Dabei ist die Ganzheit
eine Einheit im Werden. In diesem Sinne kann Heraklits „panta rhei“
(„alles fließt“) als Hinweis auf die Einheit im ständigen Wandel
verstanden werden. Mit der Ganzheit entsteht etwas Neues durch die
Integration der Teile auf einem höheren Niveau. Das Ganze ist nicht
lediglich aus seinen Teilen zusammengesetzt. Es werden nur Teile an
ihm unterschieden, in deren jedem das Ganze ist und wirkt. Erst der
gefügehafte Zusammenhang der Bestandteile bewirkt die Struktur der
Ganzheit.
Aristoteles lehrte, dass das Ganze mehr ist als die Summe der Teile
(so genannte Übersummativität). Nach ihm ist das Ganze (holon) eine
Bestimmung der Einheit (hen). Der Begriff Holismus bezeichnet eine
Ganzheitslehre. Diese Lehre überschneidet sich mit älteren
Überlegungen zur Ganzheit.
Ganzheit als System
Das Ganze als etwas Gegliedertes und Zusammengefügtes nennt man
System. Der griechische Begriff „systema“ bedeutet das Gebilde, das
Zusammengestellte und das Verbundene. Der Schwerpunkt der
Betrachtung liegt dabei auf dem ganzheitlichen Zusammenhang der Teile.
Diese stehen zueinander häufig in einem Verhältnis der
Wechselwirkung. Wenn es zu einem Austausch von Energie oder Materie
mit der Außenwelt kommt, liegt ein offenes System vor, ansonsten spricht
man von einem abgeschlossenen System. Aber auch offene
Systeme müssen von der Umwelt noch deutlich abgegrenzt werden
können, und die wechselseitige Abhängigkeit der Teile setzt ein
Mindestmaß an Kontinuität und struktureller Ordnung voraus, um
überhaupt von einer Ganzheit sprechen zu können.
Systeme können sich im Gleichgewicht oder in einem Ungleichgewicht
befinden. Die Gleichgewichtssituation kann bei offenen Systemen auch
durch ein so genanntes Fließgleichgewicht hergestellt werden. Dabei
findet ein ständiger Austausch mit der Umgebung statt, und es wird trotz
kleiner Schwankungen ein stabiler, im Mittel unveränderlicher Zustand
Aufrecht erhalten.
Systeme können statisch oder dynamisch sein. Dynamische Systeme sind
teilweise auch fähig zur Selbstorganisation, wenn ihnen aus der
Umgebung Energie zugeführt wird. Das Zusammenwirken der Teile
führt dabei in einem unumkehrbaren Vorgang zu neuen, komplexeren
und gleichwohl stabilen Strukturen. Diese werden als dissipativ
bezeichnet, wenn ihre Stabilität auf der Umwandlung einer
anderen Energieform in Wärme beruht. Die wissenschaftliche
Untersuchung und Beschreibung von Systemen erfolgt durch die
Systemtheorie. Ein Teilgebiet davon ist die Kybernetik, die sich der
Steuerung und Informationsverarbeitung der rückgekoppelten Systeme
widmet. Die Synergetik erforscht die besonders komplexen Systeme mit
der Fähigkeit zur Selbstorganisation.
Aus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ganzheit_(Philosophie)
Die Frage „was kann ich wissen?“ beinhaltet natürlich nicht bloß, ob
man von dem Apfel wissen kann, sondern z.B. auch, ob man wissen
kann, dass es neben unserem Sonnensystem noch weitere
Sonnensystem in fernen Galaxien gibt. Eine Frage, die sich nicht durch
bloßes Hinsehen beantworten lässt. Auch metaphysische Fragen wie
die Frage nach einem Gotteswesen sind mit der Erkenntnistheorie
verknüpft. Die Frage nach dem Wissen ist dabei die Frage nach der
Wahrheit. Es geht darum die Unterscheidung zu finden zwischen
Dingen, die wir glauben zu wissen und Dingen, die wir wirklich wissen
können – Dinge, die wahr sind.
Auszug aus:
http://konstruktivismus.net/erkenntnistheorie-die-frage-
danach-was-wir-wissen-koennen/
Evolutionäre Erkenntnistheorie -
Philosophie des 20. und 21. Jahrhunderts ?
Diese Theorie ist eine Auffassung, die einzel - wissenschaftliche und
philosophische Elemente in fruchtbarer Weise miteinander verbindet.
Sie geht aus von der empirischen Tatsache, dass unsere kognitiven
Strukturen – Sinnesorgane, Zentralnervensystem, Gehirn;
Wahrnehmungsleistungen, Raumanschauung, Vorstellungsvermögen,
Zeitsinn; Lerndispositionen, Verrechnungsmechanismen, konstruktive
Vorurteile usw. – mit deren Hilfe wir die objektiven Strukturen (der
realen Welt) intern rekonstruieren, in hervorragender Weise auf die
Umwelt passen, zum Teil sogar mit ihr übereinstimmen.
Dieser Passungscharakter darf durchaus im werkzeugtechnischen Sinne
verstanden werden: Wie ein Schlüssel in ein Schloss (Schlüssel - Schloss-
Prinzip) oder ein Werkzeug auf ein Werkstück passt, so passt unser
Erkenntnisapparat auf den uns unmittelbar zugänglichen Ausschnitt der
realen Welt. Da ohne diese Passung Erkenntnis überhaupt nicht möglich
wäre, ist sie auch erkenntnistheoretisch höchst relevant.
Auszug aus:
http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/
erkenntnistheorie-und-biologie-evolutionaere-
erkenntnistheorie/22339
Philosophie und Erkenntnistheorie -
Erkenntnis ist schöpferisch konstruiert
Der Ansatz wird grundsätzlich als (kultur-) philosophischer und
(interdisziplinärer) wissenschaftlicher Denkrahmen verstanden.
Zu den Kernbereichen der Philosophie gehören die folgenden vier
Disziplinen:
•
Logik
•
Metaphysik
•
Erkenntnistheorie
•
Ethik
Dabei zählen die Logik, die Metaphysik und die Erkenntnistheorie zu
der theoretischen Philosophie, die Ethik gehört zur praktischen
Philosophie.
Erkenntnistheorie
Die Erkenntnistheorie ist eine philosophische Disziplin, die sich mit
der Art und Weise auseinandersetzt, wie wir Wissen gewinnen und die
herausfinden will, ob wir überhaupt etwas wissen können.
Allerdings muss berücksichtigt werden, Erkenntnis entstammt
menschlichen Gehirnen und kann ohne solche (oder ähnliche) nicht
weitergegeben oder verstanden werden, sie existiert per se (als Idee)
weder materiell noch immateriell (auch nicht im Sinn einer
Wechselwirkung) und ist in diesem Sinn schöpferisch konstruiert und
es sollte zwischen Konstrukt und (möglicher) Realität unterschieden
werden, um Irrtümern oder voreiligen Schlüssen zu entgehen.
Auszug aus:
https://metepsilonema.wordpress.com/2014/05/25/soll-man-einer-
theorie-oder-einem-system-existenz-zusprechen/#more-6604
Die Methoden und Fragestellungen der
Erkenntnistheorie
Als philosophische Disziplin verfolgt die Erkenntnistheorie auch eine
typisch philosophische Herangehensweise an ihre Fragestellungen. Es
gilt zuvor für wahr gehaltene Meinungen anzuzweifeln und das
offensichtliche in Frage zu stellen. Können wir wirklich wissen, dass
dieser Gegenstand vor uns ein Apfel ist? Wenn ja, wie erlange ich
dieses Wissen und sehen andere den Apfel genauso wie ich?
Die Seelenlehre als Fundament
für ein ganzheitliches Weltbild
Aristoteles hat mit seiner Seelenlehre ein
in sich abgeschlossenes Weltbild von
unerhörter Reife geschaffen, das in seiner
Vollendung bis heute nicht wieder erreicht
wurde. Er unterscheidet vier Stufen, das
Körperlich-Materielle als Stufe des
Unbelebten und die drei Stufen des
Lebendigen, das Vegetative, das Sensitive
und das Geistige, wobei jede höhere Stufe
durch ein neu hinzukommendes Prinzip
ausgezeichnet ist. Nach Aristoteles besteht
die ganze Wirklichkeit aus
vier Teilwirklichkeiten mit eigenen Prinzipien.
Die Warnungen des Aristoteles vor
einseitigem Denken sind von den
Hauptströmungen des abendländischen
Denkens, die auf die griechische
Philosophie folgten, negiert worden, so
versucht die christliche Theologie mit
einem Geist-Prinzip und die moderne
Naturwissenschaft mit einem
Materie-Prinzip die ganze Wirklichkeit zu
erklären. In beiden Fällen wird die
Mehrdimensionalität der Weltwirklichkeit
(in Bezug auf die wirkenden
Prinzipien) auf eine einzige Dimension
zusammengeschrumpft.
Bei einem Vergleich der aristotelischen
Seelenlehre mit dem Erkenntnis- und
Lehrgebäude der modernen
(Natur)Wissenschaft stößt man auf ein
Paradoxon. Einerseits lassen sich die drei
von Aristoteles postulierten Seelenteile
mit Hilfe von Erkenntnissen, die die
Wissenschaft gewonnen hat,
interpretieren und als Prinzipien für
informationsverarbeitende Systeme
(vegetative Seele) bzw. für
informationserzeugende Prozesse
(sensitive Seele, Geistseele) erkennen.
Andererseits hat die Wissenschaft jeden
Begriff davon verloren, was Aristoteles
"Seele" nannte, d.h. sie hat für die drei
Prinzipien keinen Namen. Da die
Begriffssysteme der Einzelwissenschaften
dafür nicht ausreichen, muss eine auf
rationaler Ebene erfolgende
Weltbild-Diskussion wieder dort stattfinden,
wo sie hingehört: auf den Boden der
Philosophie.
Auszug aus: stefan-bleecken seelenlehre.
Eine ganzheitliche Naturwissenschaft, die die Existenz übermaterieller
Prinzipien für das Lebendige anerkennt, kann daher Werte begründen.
Auf die Frage, was ist wert, gewusst bzw. erforscht zu werden, gibt die
heutige Naturwissenschaft die Antwort: alles was gemessen, formalisiert
und reproduziert werden kann. Die Erkenntnisse, die auf diese Weise
über den materiellen Teil der Natur gewonnen wurden, haben den
Menschen in die Lage versetzt, die Natur zu beherrschen, für seine
Ziele auszubeuten und - wie sich in unseren Tagen immer deutlicher
herausstellt - zu zerstören. Da die moderne Naturwissenschaft das
Phänomen „Leben“ und damit auch den Menschen mit seiner
existentiellen Problematik aus ihrer Erkenntnissuche ausgeschlossen hat,
weiß sie auch keine Antwort, wie der Mensch von der Zerstörung seiner
eigenen Lebensgrundlagen abgehalten werden kann. - Eine
ganzheitliche Naturwissenschaft wird sich als erstes das Ziel stellen, das
eklatante Missverhältnis zwischen dem unüberschaubar gewordenen
Wissen über das Materielle und dem Nichtwissen über das
Übermaterielle zu beseitigen. Sie wird die Frage, was ist wert gewusst zu
werden, völlig neu beantworten:
An erster Stelle wird das Wissen stehen, das zur Selbsterkenntnis des
Menschen beiträgt. Die Selbsterkenntnis des Menschen ist
Voraussetzung dafür, dass er in der Lage ist, sich selbst zu beherrschen,
und die Selbstbeherrschung des Menschen ist wiederum die
Voraussetzung für die Verwirklichung einer überlebensfähigen
Zivilisation.
Das Weltbild des Aristoteles ist das einzige, aus menschlicher Erfahrung
heraus begründbare ganzheitliche Weltbild, das wir kennen.
Eine Entscheidung der Naturwissenschaft zugunsten dieses Weltbildes ist
daher überfällig. Erst danach wird der Weg frei sein, das materialistische
Weltbild aus seiner beherrschenden Position, die es in unserer
Zivilisation einnimmt, zu verdrängen. Die entscheidende Frage, die bleibt:
Wird dem Menschen die Zeit vergönnt sein, den gewaltigen
Umdenkprozess weg von einem einseitig materialistischen Denken und
hin zu einem ganzheitlichen Denken zu vollziehen mit allen
Konsequenzen, die sich daraus für menschliches Handeln ergeben?
Auszug aus:
stefan-bleecken seelenlehre.
siehe auch: Prägung eines modernen Weltbildes
durch die Evolutionsbiologie
Ganzheitliche Philosophie - Newton´sche
Naturwissenschaft vs. Weltbild des Aristoteles
„Die Wiederentdeckung der Wirklichkeit ist einzige
Alternative, um zu einer
neuen Art von Naturwissenschaft zu kommen“ (Erwin Chargaff).
Ein großer Humanist unserer Tage, der Biochemiker Erwin Chargaff,
wirft der modernen Naturwissenschaft den Verlust der Wirklichkeit
vor, da sie nur diejenigen Teile der Natur als wirklich ansieht, die
erforschbar sind. Chargaff sieht in der "Wiederentdeckung der
Wirklichkeit" die einzige Alternative, um zu einer neuen Art von
Naturwissenschaft zu kommen und die verheerenden Folgen, welche
die jetzige nach sich zieht, zu verhindern.
Aus der Sicht der Erkenntnistheorie ruht die moderne
Naturwissenschaft auf drei Säulen, die mit den Schlagworten Empirie,
Theorie und Weltbild bezeichnet werden können. Die
Generalrichtung, in der sich diese Wissenschaft vorwärts bewegt, wird
nicht von dem empirisch Erforschten oder den darauf gegründeten
Theorien bestimmt, sondern von dem materialistischen Weltbild, dem
sie sich verpflichtet hat. Ein Wissenschaftler mit materialistischem
Naturverständnis kann gar nicht auf den Gedanken kommen, eine
Forschung zur Auffindung und Untersuchung eines übermateriellen
Prinzips zu betreiben. Bildlich gesprochen hat die heutige
Naturwissenschaft keine Flügel mehr, mit deren Hilfe sie die ganze
Wirklichkeit erkunden kann, sie hat die Flügel durch Räder ersetzt, mit
denen sie sich nur noch auf festgelegten Geleisen fortbewegen und
nur noch eine einzige Teilwirklichkeit (die materielle) erforschen kann.
Wenn die heutige Naturwissenschaft ihre Selbstblockade durch die
Bindung an das materialistische Weltbild aufheben und anerkennen
würde, dass es außer dem Prinzip für das Materielle noch weitere
Prinzipien (für das Organisch-Vegetative, das Sensitive und das
Geistige) gibt, dann hätte dies eine neue Art von Naturwissenschaft
zur Folge. Zwei wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Arten
von Naturwissenschaft, der materialistischen und der ganzheitlichen,
lassen sich sofort angeben. Da Materie unzerstörbar ist
(Erhaltungssätze der Physik) ist die heutige materialistische
Naturwissenschaft nicht in der Lage, Werte zu begründen. Nun hat
Leben in all seinen Ausformungen mit Information zu tun, die erzeugt
und auch wieder zerstört werden kann; Information stellt somit einen
Wert an sich dar.
Kultureller Ansatz - Drei ewige Fragen
Die kulturellen Paradigmen leiten sich nach Lipton und Bhaerman
daraus ab, wie eine Gesellschaft die drei ewigen Fragen beantwortet:
1.
Wie sind wir entstanden?
2.
Wozu sind wir hier?
3.
Wie können wir das Beste aus unserem Dasein machen?
Welcher Anschauung oder Gruppierung es auch immer es gelingt,
diese Fragen zu beantworten, die bestimmt die Gesellschaft solange,
bis jemand mit einer besseren Erklärung auftaucht.
Interessant ist zu sehen, dass es in unserer Geschichte bereits zwei
Zeitpunkte gab, in denen eine ganzheitliche Sichtweise vorherrschte. Der
erste war die Zeit des so genannten Animismus, in der die Natur/die
Mutter Erde selbst als göttlich verehrt wurde. Der Geist und das Göttliche
wohnten in allem, eine Trennung in spirituell und weltlich machte keinen
Sinn. Der Wind war genauso heilig wie das Wasser, das Lachen und die
Liebe. Das zweite kulturelle Paradigma stellt der Holismus dar.
Materialismus versus Holismus
In westlichen Wirtschaftssystemen konkurrieren auf der kulturellen Ebene
vor allem Materialismus und Holismus (Ganzheitlichkeit) miteinander. In
der Abbildung (unten) wird von einer materialistischen und holistischen
Sicht - als Gegenpole sozialer Systemen - ausgegangen.
Durch die aufgeführten Merkmale (1. Spalte) werden wichtige Unterschiede
aus materieller (2. Spalte) und ganzheitlicher Sicht (3. Spalte) deutlich.
Menschenbilder und Weltbilder
Menschenbilder und Prägung des (modernen)
Weltbildes durch die Evolutionsbiologie
Als
Menschenbilder sind anthropologische Modellannahmen, die jeder
psychologischen
Theoriebildung zugrunde liegen,
aber selbst nicht
Bestandteil der Theorieprüfung sind. Sie haben eine gegenstands-
konstituierende Funktion, indem sie selektiv bestimmte Sichtweisen
auf den Menschen hervorheben und andere vernachlässigen.
Menschenbildmodelle
Im wesentlichen werden in der Forschung drei Typen von
Menschenbildmodellen unterschieden:
1. Mechanistische Modelle basieren auf der Maschinenmetapher (der
Mensch als komplexe Maschine). Zentrale Merkmale sind Reaktivität
und Determinismus; prominentes Beispiel ist der klassische
Behaviorismus. Weitergeführt werden mechanistische Modelle unter
Verwendung der Computermetapher (der Mensch als
informationsverarbeitendes System) in den Teilbereichen der
kognitiven Psychologie, die an die Forschungen zur Künstlichen
Intelligenz anschließen.
2. Organismische Modelle (der Mensch als biologisches System)
stellen die Merkmale Selbstreproduktion und Selbstorganisation in
den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Bestimmte Aspekte der
Entwicklungstheorie Piagets basieren auf organismischen
Modellannahmen; eine tragende Rolle spielen solche Annahmen in
neurobiologischen Selbstorganisationstheorien.
3. Reflexive Subjektmodelle (z.B. der Mensch als rational Handelnder)
betonen mit je unterschiedlichen Gewichtungen die Selbstaktivität,
Intentionalität und Reflexivität des Menschen sowie seine
Geschichtlichkeit und Kulturalität. Hauptvertreter sind die
Humanistische Psychologie und neuere handlungs- und
kulturpsychologische Theoriebildungen (Kulturpsychologie).
Auszug aus:
http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/menschenbilder/9523
Menschenbild der Evolutionsbiologie
Der Mensch aus Sicht der Evolutionsbiologie: „Es gibt keinerlei
objektive Grundlage, die es uns erlauben würde, eine Art höher als die
andere einzuschätzen. Schimpanse und Mensch, Eidechse und Pilz,
alle haben sich in einem Zeitraum von etwa drei Milliarden Jahren in
einem Prozess entwickelt, den man die natürliche Auslese nennt, und
innerhalb jeder Spezies hinterlassen einige Individuen mehr
überlebende Nachkommen als andere, so dass die Erbmerkmale
(Gene) derer, die sich erfolgreich reproduzieren, in der nächsten
Generation zahlreicher werden.“ (Trivers, Geleitwort zu Dawkins,1978).
Das moderne Weltbild wird heute in der Wissenschaft durch das
Menschenbild der Evolutionstheorie (-biologie) geprägt, was auch
Auswirkungen auf die Wirtschaftwissenschaften hat; einzig in der
Volkswirtschaft hält sich der “homo oeconomicus” als prägenden
Weltbild (Homo oeconomicus ist das „Allerheiligste“ der
Volkswirtschaft).
Auszug aus:
http://dievolkswirtschaft.ch/content/uploads/2015/07/09_Thielemann
_DE1.pdf
Die philosophisch - kulturellen und wissenschaftlichen Ansätze sind
mit verschiedenen Weltbildern verknüpft, die sehr gegensätzlich (als
Pol und Gegenpol) aufgestellt sein können, wie z.B. Materialismus vs.
Holismus, Naturwissenschaften vs. Ganzheitlichkeit, Altes vs. Neues
Paradigma (Paradigmen sind grundsätzliche kulturelle oder
wissenschaftliche Einstellungen).
Es kann dadurch zwischen den Standpunkten zu Konflikten - bis hin zum
Menschenbilder: Soziale Einstellungen
Eine Einstellung (siehe Tabelle oben) beschreibt die Beziehung zwischen
einer Person und einem Sachverhalt, der von dieser Person bewertet
wird, indem sie ihre Zustimmung oder Ablehnung äußert. Einstellungen
sind also vielschichtige Bereitschaften; sie sind von zugrunde
liegenden Motiven beeinflusst, enthalten Bewertungen und Urteile,
drücken sich in verbalen Stellungnahmen und Handlungsabsichten aus
und eventuell in bestimmten Verhaltensweisen. Zwischen der verbal
geäußerten Einstellung und dem wirklichen Verhalten bestehen oft
Diskrepanzen, wie die Alltagserfahrung lehrt: Reden und Tun sind
zweierlei. Von Psychologen und Sozialwissenschaftlern wurde eine
Vielzahl von Fragebogeninstrumenten entwickelt, um soziale, politische
und weltanschauliche Einstellungen zu erfassen. Aufgrund der gegebenen
Antworten könnte jedem Menschen eine bestimmte Ausprägung dieser
Einstellung wie auf einer Skala zugeschrieben werden. Einige Beispiele
zeigen, dass es sich um wesentliche Komponenten des Menschenbildes
handelt – Wie bin ich? Wie sind die Menschen im Allgemeinen? Es sind
viele einzelne Aspekte, aus denen erst ein Profil bzw. ein individuelles Bild
zusammengesetzt werden müsste. In der Wirklichkeit könnten sich
bestimmte Einstellungen wechselseitig verstärken, abschwächen oder in
Konflikt geraten.
Die Übereinstimmung oder das häufige Auseinanderfallen von
geäußerter Einstellung und tatsächlichem Verhalten bilden als
Einstellungsverhaltens-Problem ein wichtiges Thema der
Sozialpsychologie und der psychologischen Diagnostik.
Auszug aus:
http://www.jochen-fahrenberg.de/fileadmin/pdf/MENSCHENBILDER.pdf
Das Moderne Weltbild -
Ausgangspunkt Evolutionsbiologie
Für unsere Sicht der Welt war Charles Darwin wichtiger als andere
maßgebliche Wissenschaftler. Mit seiner Evolutionstheorie lässt sich
die Entwicklung des Lebens durch natürliche Phänomene erklären.
Biologische Konzepte haben einen völlig anderen Rang. Viele neue
Ideen der Biologie in den letzten 150 Jahren widersprachen krass
bisherigen Anschauungen. Anerkennung konnten sie deswegen nur
durch eine ideologische Revolution finden. Kein Biologe aber hat das
Weltbild auch einfacher Menschen in mehr Bereichen – und
drastischer – umgekehrt als Charles Darwin.
Die Leistung Darwins war außerordentlich umfassend und
vielschichtig. Es ist zweckmäßig, drei Bereiche zu unterscheiden, zu
denen Darwin maßgeblich beitrug: Das sind außer der
Evolutionsbiologie die Wissenschaftsphilosophie und der moderne
Zeitgeist. Zwar sollen diese Ausführungen hauptsächlich dem dritten
Aspekt gelten. Doch der Vollständigkeit halber soll zuvor kurz
umrissen werden, was Darwin zu den beiden anderen Feldern
beitrug.
Mit der Evolutionsbiologie begründete Darwin innerhalb der
Wissenschaften vom Leben einen neuen Zweig. Vor allem vier
Aussagen in Darwins Evolutionstheorie erscheinen besonders wichtig,
weil sie über die Biologie hinaus wirkten.
•
Biologische Arten verändern sich – das, was wir heute unter
Evolution verstehen.
•
Evolutionslinien zweigen sich auf – was zugleich bedeutet, dass
alles Leben der Erde auf einen einzigen gemeinsamen Ursprung
zurückgeht.
Bis Darwin 1859 seine Evolutionstheorie veröffentlichte, wurde die
Evolution der Lebewesen, so auch bei Lamarck, als eine lineare
Weiterentwicklung in Richtung zunehmender Vollständigkeit
betrachtet. (Der französische Naturforscher Jean-Baptiste de Lamarck,
der von 1744 bis 1829 lebte, postulierte als Evolutionsmechanismus
eine Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften und damit gerichtete
Veränderungen) Diese teleologische Weltanschauung zieht sich seit
Aristoteles und dessen "Stufenleiter des Lebendigen" (neulateinisch
scala naturae) durch die Kulturgeschichte.
•
Die Evolution verläuft graduell, in kleinen Schritten, ohne
Riesensprünge oder gar Brüche.
•
Der entscheidende Mechanismus, mit dem die Evolution
operiert, ist die "natürliche Selektion" ("natürliche Auslese").
Diese vier neuen Sichtweisen Darwins bildeten den Grundstein für eine
Philosophie der Biologie, eine neue Richtung innerhalb der
Wissenschaftsphilosophie. Auch wenn dieser Zweig erst hundert Jahre
später voll ausreifte, basiert er in seiner heutigen Gestalt auf
darwinschem Gedankengut. Beispielsweise brachte Darwin
Geschichtlichkeit (Historizität) in die Naturwissenschaft. Anders als
Physik und Chemie ist die Evolutionsbiologie eine in historischen
Zusammenhängen denkende Wissenschaft. Das vergangene biologische
Geschehen lässt sich allein mit den "harten" Naturgesetzen nicht
erklären und auch nicht mit Experimenten nachprüfen. Stattdessen
erstellen die Evolutionsforscher einzelne Geschichten zu historischen
Abläufen. Sie rekonstruieren für jeden Einzelfall Szenarien, wie sich die
Erklärung bedürftigen Ereignisse abgespielt haben könnten.
In über zweitausend Jahren Philosophiegeschichte – von den
Vorsokratikern über Hume und Kant bis in die viktorianische Ära – hatte
niemand dieses Prinzip erkannt. Das Konzept einer natürlichen
Selektion, denkbar einfach wie es ist, bot für evolutionäre
Richtungswechsel und Anpassungsänderungen außerordentliche
Erklärungskraft. Nur ist die natürliche Selektion keine Kraft wie
diejenigen, welche die physikalischen Gesetze beschreiben. Vielmehr
handelt es sich um einen Mechanismus, weniger gut geeignete, also
"minderwertigere" Individuen zu eliminieren, also um ein nicht
beliebiges Aussondern.
Das eigentlich Herausragende am Prinzip der natürlichen Selektion
besteht darin, dass "Zweckursachen" damit obsolet wurden.
Im Grunde vertrat Darwin eine holistische Sicht: Als das Objekt – die
Einheit –, an dem die Selektion hauptsächlich angreift, sah er das
Individuum in seiner Ganzheit an.
Das wesentlichste Prinzip, mit dem sich diese philosophische Richtung
auseinander zu setzen hat, ist die grundsätzlich duale Natur
biologischer Prozesse. Ich meine damit, dass biologische Abläufe zwar
auch den Universalgesetzen der Physik und Chemie unterliegen,
außerdem aber von einem genetischen Programm gesteuert werden.
Dieses Programm jedoch entstand seinerseits durch natürliche
Selektion über Millionen von Generationen.
Naturwissenschaftliche Gesetze haben in der biologischen Philosophie
folglich eine andere Bedeutung als etwa in der Physik. An ihre Stelle
treten im Darwinismus "Konzepte". Die Theorien in den physikalischen
Wissenschaften basieren in der Regel auf Naturgesetzen. Die Gesetze
der Bewegung etwa führten zur Gravitationstheorie. In der
Evolutionsbiologie dagegen gründen die einzelnen Theorien wesentlich
auf Konzepten wie "Konkurrenz", "weibliche Zuchtwahl", "Selektion",
"Sukzession" (Abfolge) oder "Dominanz". Auf physikalische Gesetze und
Theorien lassen sich biologische Konzepte und darauf fußende
Theorien jedenfalls nicht reduzieren.
Auszug aus:
http://www.spektrum.de/magazin/darwins-einfluss-auf-das-moderne-
weltbild/826771
Darstellung des Materialismus versus Holismus (Materialismus ist derzeit noch vorherrschend,
Holismus folgt mit wachsendem Anteil), als unterschiedliche philosophische
(wissenschaftstheorische) Sichtweisen (Paradigmen) der aufgeführten wissenschaftlichen
Disziplinen. Basis für den Materialismus sind z.B. mathematisch-physikalische Fortschritte an
Computern; Basis für den Holismus sind z.B. Systemtheorie, Evolutiontheorie etc.
Das neue Paradigma: Die ganzheitliche Sicht der Realität
Besonders die Erkenntnisse der modernen Physik haben zur Revision
der Newtonschen Grundannahmen über die Materie, die Energie und
des Objektivitätspostulats geführt. Albert Einstein warf mit seiner
Speziellen Relativitätstheorie und mit den Grundlagen für die
Quantentheorie der atomaren Prozesse die Grundelemente der
Newtonschen Physik - die Existenz einer absoluten Zeit und eines
absoluten Raumes, die materielle Beschaffenheit des Universums,
die Definition physikalischer Kräfte, das streng deterministische
Erklärungssystem und das Ideal einer objektiven Beobachtung
von Phänomenen ohne Berücksichtigung der Beobachter -
über den Haufen.
Wissenschaftliche Ansätze - Paradigmen
Das alte Paradigma: Die kartesianisch-newtonsche Sicht
Charakteristisch für den kartesianisch-newtonschen Denkrahmen ist
ein strikter Dualismus, der etwa Körper und Psyche, Geist und Materie
(beides als Natur) unvermittelt gegenüberstellt. Dieser Dualismus hat
das abendländische Denken bis heute tief beeinflusst. Des Weiteren
führte die Trennung von Geist und Materie zu der
erkenntnistheoretischen Annahme, eine materielle Welt existiere
unabhängig von einer geistigen Welt, während die erstere objektiv
von der zweiten widergespiegelt wird. So gingen ForscherInnen
generell davon aus, „Dinge“ beschreiben zu können wie sie „an sich“
sind, d.h. ohne dass der menschliche Erkenntnisvorgang Einfluss auf
die Erscheinungsweise der zu erkennenden Prozesse habe.
Evolutionstheorie -
Allgemeine Evolutionstheorie - ein übergreifendes
Paradigma für alle höheren Wissenschaften
Der Algorithmus der Evolution wird bestimmt durch drei Module:
•
Durch Reproduktion entsteht eine neue Generation eines evolutionären
Systems mit den gleichen, vererbbaren Merkmalen.
•
Variation verändert bei der Reproduktion vererbbare Merkmale in nicht
vorgegebener Weise,
•
Durch Selektion werden unter gegebenen Umgebungsbedingungen
bestimmte Varianten bevorzugt oder benachteiligt, so dass diese sich
schneller oder langsamer reproduzieren können als andere. Dabei
bedeutet Selektion zunächst nur eine Verschiebung der Häufigkeiten,
mit der unterschiedliche Varianten in einer Population vertreten sind.
Erst wenn die Umgebungsbedingungen das Anwachsen der
Gesamtpopulation begrenzen, führt Selektion auch zur Eliminierung
der benachteiligten Varianten.
Durch rekursive Wiederholung dieser drei Schritte können aus einfachen
Grundelementen hochgradig komplexe Strukturen entstehen. Die
gegenstandsneutrale verallgemeinerte Darstellung dieses Prozesses
gestattet ihre Anwendung auf beliebige sich selbst reproduzierende
Systeme.Die Evolution ist ein gerichteter Prozess, ihre Richtung wird
bestimmt von den Selektionsbedingungen der Umgebung, so dass sich
ihre Richtung mit den Änderungen der Selektionsbedingungen ändert,
Verzweigungen entstehen und die Evolutionsfähigkeit und
Evolutionsgeschwindigkeit von der Änderungsgeschwindigkeit der
Umgebungsbedingungen bestimmt wird.
Schurz spezifiziert die Grundbegriffe der verallgemeinerten
Evolutionstheorie für die biologische, die kulturelle und die individuelle
Evolution wie folgt:
Diese Grundbegriffe lassen sich auch auf die Bereiche intuitiv-kreatives
Denken, Immunologie und Neuronenwachstum anwenden.
Nacheinander ablaufende und gleichzeitig ablaufende ineinander
verschachtelte Evolutionen müssen sich in ihren räumlichen oder in
ihren zeitlichen Größenordnungen um mehrer Zehnerpotenzen
unterscheiden, um eigenständige Dynamiken zu entwickeln.
Der wissenschaftliche Gehalt der Evolutionstheorie ergibt sich nicht aus der
tautologieverdächtigen Aussage, dass nur die fitteren Systeme unter den gegebenen
Umgebungsbedingungen überleben und sich reproduzieren können, weil Fitness
gerade über die unterschiedliche Reproduktionsrate definiert wird. Der Gehalt der
allgemeinen Evolutionstheorie besteht vielmehr in der Behauptung, dass durch das
Zusammenwirken der drei Darwinschen Module eine Evolution zustande kommt, die in
der Realität tatsächlich beobachtbar ist, und zwar ohne dass die zugrundeliegenden
Mikroprozesse im Einzelnen spezifiziert werden müssen. Die Überprüfbarkeit dieser
Behauptung bestätigt auch das Vorliegen des Vorhersagekriteriums. Die
Beobachtung realer Prozesse, die nach diesem Muster ablaufen, bestätigt dann die
Anwendbarkeit der Evolutionstheorie auf diese Prozesse. In diesem Sinne ist die
allgemeine Evolutionstheorie ein übergreifendes Paradigma für alle höheren
Wissenschaften, die es mit offenen evolutionären Systemen zu tun haben, also
Biologie, Psychologie Sozialwissenschaften, Geistes- und Kulturwissenschaften,
dessen Gültigkeit allerdings in jeder einzelnen Wissenschaft bestätigt werden muss.
Durch diese Eigentümlichkeit evolutionärer Systeme erscheint auch die
Zurückführbarkeit der Wissenschaften des Lebens auf die physikalischen
Wissenschaften in einem neuen Licht. Während man früher noch glaubte, dass eine
vollständige Reduktion der Biologie auf die Physik einmal möglich sein werde,
beschreibt man deren Verhältnis heute anstelle von Reduktion mit dem
schwächeren Begriff der Supervenienz. Supervenienz impliziert nicht vollständige
Reduzierbarkeit, sondern beschreibt lediglich die Tatsache, dass alle Entitäten, die
Behandlungsgegenstand der höheren Wissenschaften sind, letztlich auf materiell-
physikalischen Entitäten beruhen, aus diesen zusammengesetzt und durch diese
bestimmt sind, ohne dass dieser Zusammenhang aber aus Komplexitätsgründen in
Form einer Ableitung aus Naturgesetzen und Systembedingungen fassbar wäre.
Dies schließt nicht aus, dass auf Teilbereichen auch eine vollständige Reduktion auf
physikalische Entitäten möglich ist.
Auszug aus:
http://www.bertramkoehler.de/natur-4.htm
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Wissenschaftstheoretische Grundlagen
der Evolutionstheorie
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Systemtheorie -
System als Modell der Natur/des Denkens
System: Ein System bezeichnet einen Zusammenhang von
Elementen, deren Beziehungen untereinander sich quantitativ und
qualitativ unterscheiden von Beziehungen zu anderen Elementen
(dadurch ist eine Grenze zur Systemumwelt beobachtbar). Systeme
können unterschieden werden nach Maschinen, lebenden,
psychischen und sozialen Systemen.
Sozialisation: Soziale Systeme (Interaktionen, Organisationen und
die Gesellschaft) produzieren, reproduzieren und erhalten
Kommunikationen. Sie operieren im Medium Sinn.
Interaktion: Interaktionen sind soziale Systeme, die eine physische
Anwesenheit der Kommunikationspartner verlangen. Sie sind die
einfachsten sozialen Systeme, aber zugleich die Voraussetzung von
Gesellschaft.
Organisation: Organisationen sind soziale Systeme mit
privilegierten Personen als Mitglieder. Die Form der
Kommunikation von Organisationen sind Entscheidungen. Sie
basieren auf Entscheidungen und bilden die Grundlage künftiger
Entscheidungen. Organisationen können im Gegensatz zu
Funktionssystemen Mitglieder exklusiv aufnehmen und andere
ausschließen.
Sozialation: Sozialisation sichert ein der Gesellschaft adäquates
Verhaltensvermögen. Sie findet durch Teilnahme an der
Kommunikation der Gesellschaft laufend statt. Eine besondere Art
der Sozialisation ist Erziehung.
Systemtheorie: Die Systemtheorie versteht sich als universelle
soziologische Theorie, die auf der Einheitlichkeit der
grundlegenden Systemprobleme aufbaut, aber unterschiedliche
Interpretationen zulässt.
Evolution: Evolution beschreibt, wie Systeme inmitten gegebener
Umweltbedingungen durch ihre eigenen Operationen ihre Strukturen
ändern können. Entgegen der klassischen Evolutionstheorie verneint
die Systemtheorie einen Anpassungsdruck der Systeme an ihre
Umwelt: Was existiert, ist bereits optimal angepasst.
Komplexität: Komplexität bezieht sich auf die Anforderungen eines
Systems durch seine Umwelt. Es werden Entscheidungen notwendig,
wobei Entscheidungsvielfalt und Unberechenbarkeit der Folgen ein
Systemproblem darstellen (siehe auch Emergenz).
Emergenz: Mit Emergenz wird die Fähigkeit von Systemen beschrieben,
strukturelle Komplexität aufzubauen. Emergente Ordnungen
bezeichnen also Phänomene, die nicht allein auf die Eigenschaften
ihrer Elemente zurückzuführen sind, sondern ein "Darüber hinaus"
erkennen lassen.
Interpenetration: Interpenetration zweier Systeme ist Folge Ihrer
gemeinsamen Entwicklung (Evolution) und eine bestimmte Weise der
strukturellen Kopplung. Interpenetration gibt es z.B. zwischen
lebenden und psychischen sowie zwischen psychischen und sozialen
Systemen.
Variation: Variation bezeichnet die abweichende Reproduktion von
Elementen eines Systems (etwa Mutationen eines DNA-Abschnitts, ein
"Geistesblitz", ein Vorschlag zur Reform des Gesundheitssystems).
Variationen können selektiert werden (Annahme oder Ablehnung),
jeweils mit ungewissen Folgen (Komplexität).
Autopoiesis: Autopoiesis bezeichnet die Reproduktion von
Elementen eines Systems durch das System selbst. Die
Umwelt hat auf autopoietische Systeme (außer deren
Zerstörung) keinen direkten Einfluss, sie kann weder die
Elemente konstituieren noch deren Operationsweise direkt
verändern. Im Gegensatz zur Evolutionstheorie verneint die
Systemtheorie einen Anpassungsdruck der Systeme an ihre Umwelt:
Was existiert, ist bereits optimal angepasst.
Triviale und Nicht - triviale Systeme: Grundlegend für die
Systemtheorie ist die Unterscheidung zwischen sogenannten
„trivialen“ und „nicht-trivialen Maschinen“. „Triviale Maschinen“
sind analytisch bestimmbar, von der Vergangenheit unabhängig und
voraussagbar, sie reagieren immer auf die gleiche Art, d.h. wir
wissen, was wir erwarten können. Nach VON FOERSTER (1997) sind
„triviale Maschinen“ für den Beobachter durchschaubar und für ihn,
wenn er ausreichende Kompetenz besitzt und immer alle
Informationen verfügbar sind, steuerbar. Der Operator dieser
Maschine arbeitet stereotyp nach dem Programm der mechanischen
Kausalität. Er konstruiert aus jedem Input (Einwirkungspunkt) eine
mechanische Ursache und jeden Output als mechanische Wirkung. In
der Abbildung (rechts, Oben) soll dieser Zusammenhang verdeutlicht
werden.
Nicht-triviale Maschinen“ hingegen sind analytisch
unbestimmbar, vergangenheitsabhängig und
unvoraussagbar. Da der innere
Zustand mit dem Operator gekoppelt ist, ändert sich
nach jedem Arbeitsgang sein Programm, es folgt auf
dem gleichen Input ein anderer Output (rechts, Mitte)
Lebende Systeme sind
„nicht-triviale Maschinen“, sie zeichnen sich durch
Autonomie
und Eigengesetzlichkeit aus. „Nicht-triviale Maschinen“,
von
WILLKE „Nicht-triviale Systeme“ genannt, sind in einem
ständigen Wechsel (Prozess) und weisen
Eigendynamiken auf,
die sich einer Steuerung von außen entziehen.
Durch die Nichtberechenbarkeit der nicht -trivialen
Systemen ist die Annahme eines kausalen Ursache –
Wirkungs – Denkens unhaltbar. In solchen Systemen gibt
es eine nicht zu überschauende potentielle Komplexität.
Individuen und andere soziale Systeme sind nicht-triviale
Systeme (VON FOERSTER 1997, WILLKE 1996), sie sind
auf Sinn basierende und Sinn konstituierende
Systeme. Solche komplexen Systeme zeichnen sich
durch die Zirkularität ihrer Operationsweisen aus,
d.h., dass die wesentlichen Prozesse, die die Dynamik
und das Verhalten der Systeme bestimmen, im Inneren
des Systems und aufgrund der eigenen autonomen
Steuerungslogik ablaufen. Dieser Prozess wird als
"operative Geschlossenheit" bezeichnet. Aufgrund
dessen
kann sich das System selektiv gegenüber seiner Umwelt
öffnen und einen Bezug herstellen. Das Innere des
Systems bildet spezifische kognitive,
semantische und soziale Strukturen,
die in ihrem Zusammenspiel
bestimmen, welche
Kommunikationen, Handlungen,
Erwartungen und Entscheidungen
als relevant betrachtet und gewählt
werden (WILLKE 1996).
Triv
ia
l
maschine vers
us komplexe soz
ia
le Systeme
(von Foerster, Heinz v
on 1988)
Berechenbarkeit
Linearität
Serialität
Input
Output
Triviales System
(geschlossen)
Steuerungskriterium: Überleben
Kontingenz
Komplexität
Geschichte
Beobachtung
Kognition
Identität
Steuerungskriterium: Sinn
Nicht - triviales System
(offen)
Kontingenz
Kommunikation
( Entscheidungen)
Komplexität
Als ein zentrales Element der Organisation wird die Kommunikation betrachtet.
Für WILLKE ist ein Begreifen und Beeinflussen eines Systems nur möglich, indem
durch die Personen „hindurch gesehen“ wird auf die hinter ihnen sich
verbergenden Kommunikationsstrukturen und Regeln. Immer sind „Personen“ als
Bewusstseinssysteme an der strukturellen Koppelung beteiligt. Den Unterschied
zwischen statischen (meist trivialen) und lebenden – nicht trivialen - Systemen
erläutert SIMON (1991) an einem Beispiel. Erhält ein statisches System, wie ein
Auto, durch eine von außen kommende Kraft eine Beule, so lässt sich diese durch
die Aktivität eines Gummihammers wieder beseitigen. Ohne dieses Tun wäre die
Beule geblieben. Das System Auto bleibt bei einer Reparatur passiv. Läuft ein
Mensch, ein lebendes System, gegen einen Schrank und holt sich eine Beule, so
verschwindet diese nach einigen Tagen von „allein“. Das System Mensch bedarf
also keines von außen kommenden „Gummihammers“, mit dem Schäden beseitigt
werden, sondern es „repariert“ sich selbst. Die Aufrechterhaltung einer bestimmten
Struktur, hier der Beule beim Menschen, bedarf einer anderen Erklärung, da sie
normalerweise wie selbstverständlich "verschwindet". Bei einem lebenden System
müssen demnach Strukturen aktiv aufrecht erhalten werden. Denn alles verändert
sich, es sei denn, irgendwer oder irgend etwas sorgt dafür, dass es so bleibt, wie es
ist. Beim Menschen bewirken körperliche Grundfunktionen, wie z.B. Essen, Trinken
und Ausscheiden, dass Strukturen bewahrt werden.
Auszug aus:
https://www.bing.com/search?q=beushausen-
systemtheoretischegrundlagen&form=WNSGPH&qs=SW
&cvid=2cc2bf7c0fc34eb08c7a26b7f1958abd&pq=
beushausen-systemtheoretische grundlagen&cc=DE&setlang=de
DE&nclid=EA5FF962A4F0EB4F1D86954828B8A0C0&ts=1496869158398
Selbstorganisation -
Die Organisationform des Lebens
(„Das Leben organisiert sich selbst“)
Als Selbstorganisation wird hauptsächlich in der Systemtheorie eine Form
der Systementwicklung bezeichnet, bei der die gestaltenden und
beschränkenden Einflüsse von den Elementen des sich organisierenden
Systems selbst ausgehen. Weniger abstrakt gilt im politischen Gebrauch
des Begriffes die Gestaltung des Lebens an sich nach (bewussten und
unbewussten, spontanen) eigenen - nicht von anderen bestimmten -
Regeln und ähnelt daher dem Autonomiebegriff.
Der Begriff der Selbstorganisation wurde in den 50er Jahren von W. A.
Clark und B. G. Farley geprägt:
"Sie erkannten, dass sich Operatoren, die in einer geschlossenen
Beziehung stehen, irgendwie stabilisieren und beobachteten - noch ohne
eine Theorie der rekursiven Funktionen oder des Eigenwertes zu kennen -
das Phänomen, dass bestimmte geschlossene Systeme nach einer
gewissen Zeit stabile Formen des Verhaltens entwickeln" (Heinz von
Foerster und Bernhard Pörksen: „Wahrheit ist die Erfindung eines
Lügners“, 1998, S. 92). In sozialen Systemen lässt sich beobachten, wie
Ordnung - unabhängig von den Handlungen eines Organisators - aus dem
System selbst heraus entsteht. Diese Erscheinung wird als
Selbstorganisation bezeichnet. Die Selbstorganisation ist ein nicht nur in
der Systemtheorie populärer Begriff. Ihm kommt sowohl in sozialen als
auch in natürlichen, physikalischen, biologischen, chemischen oder
ökonomischen Systemen Bedeutung zu.
Die eigentliche Entstehungsgeschichte der Selbstorganisation beginnt erst
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der relativ späte Zeitpunkt hat
mehrere Ursachen, zunächst verhinderte das vorherrschende
mechanistische Paradigma das notwendige Umdenken, außerdem
wurden mit Selbstorganisation in Verbindung stehende Phänomene
ignoriert. Gegenwärtig kann noch nicht von einer Theorie
selbstorganisierender sozialer Systeme oder von empirisch getesteten
Hypothesen gesprochen werden - Ausnahme die Synergetik (als Theorie
der Selbstorganisation, die in der Physik angewendet wurde, siehe unten).
Der universellen Anwendbarkeit verdankt der Begriff der
Selbstorganisation seine breite Resonanz.
Auszug aus:
http://www.fremdwort.de/suchen/bedeutung/selbstorganisation#
Synergetik - Theorie der Selbstorganisation (in der Physik
angewendet)
Synergetik (von griech. synergētikos = mitarbeitend), die „Lehre vom
Zusammenwirken“, ist ein 1969 von dem deutschen Physiker H. Haken
begründetes interdisziplinäres Forschungsgebiet. Synergetik befasst sich
mit komplexen, offenen Systemen, d.h. Systemen, die aus mehreren oder
vielen miteinander wechselwirkenden Teilen bestehen und durch eine
ständige Zufuhr von Energie, Materie und/oder Information in einem
aktiven Zustand gehalten werden (dynamisches Gleichgewicht oder
Fließgleichgewicht im Sinne von L. von Bertalanffy).
Die in der Synergetik untersuchten Systeme bringen räumliche, zeitliche,
raumzeitliche oder funktionale Strukturen durch Selbstorganisation, d.h.
ohne direkte ordnende Eingriffe von außen, hervor. Dabei entstehen auf
makroskopischen räumlichen und/oder zeitlichen Skalen Eigenschaften, die
auf mikroskopischen Skalen, d.h. bei den einzelnen Teilsystemen, noch nicht
vorhanden sind. („Emergenz neuer Qualitäten“, Emergenz). Hauptziel der
Synergetik ist die Aufdeckung allgemeiner Prinzipien, die der
Selbstorganisation Zugrunde liegen. Hierzu wurde eine umfassende
mathematische Theorie entwickelt, die sowohl deterministische
(Determinismus) als auch stochastische (d.h. Zufalls-)Prozesse
berücksichtigt. Alle Systeme der Synergetik sind fest vorgegebenen, durch
Kontrollparameter-Werte beschriebenen, äußeren und inneren
Bedingungen ausgesetzt. Werden diese geändert, so kann sich an
bestimmten Werten dieser Parameter das Systemverhalten makroskopisch
und schlagartig qualitativ ändern („Instabilität“ des früheren Zustands). Wie
die Synergetik zeigt, wird in der Nähe derartiger Instabilitätspunkte das
Systemverhalten durch wenige dynamische Größen, die
Ordnungsparameter (O.P., kurz auch „Ordner“ genannt), bestimmt. Nach
dem „Versklavungsprinzip“ der Synergetik legen diese das Verhalten der
Teile fest. Umgekehrt schaffen die Teile durch ihr Zusammenwirken die O.P.
(„zirkuläre Kausalität“; Verursachung).
An Instabilitätspunkten treten insbesondere Nichtgleichgewichts-
Phasenübergänge auf, die u.a. durch Symmetriebruch (das System muss
aus mehreren gleichberechtigten Zuständen einen auswählen), durch
kritische Fluktuationen (Schwankungen) und durch kritisches
Langsamerwerden der O.P. gekennzeichnet sind. Im bisher beschriebenen
Rahmen setzt die Theorie die Kenntnis der mikroskopischen Dynamik
voraus. Ist diese nicht vorhanden, so werden in der phänomenologischen
Synergetik Modellannahmen für die mikroskopische Dynamik gemacht
oder, insbesondere, O.P.-Dynamiken postuliert.
Die Konzepte und Methoden der Synergetik wurden angewendet u.a. in
Physik (Erzeugung und Eigenschaften des Laserlichts, raumzeitliche
Bewegungsmuster in Flüssigkeiten und Plasmen, Stromverteilungen in
Halbleitern, Kristallwachstum, Chemie (Bildung raumzeitlicher Verteilungen
chemischer Reaktionsprodukte, z.B. bei der Zhabotinsky-Belousov-Reaktion;
biochemische Oszillationen, Chaos), Computerwissenschaften
(synergetischer Computer zur Mustererkennung), Ökonomie (z.B.
Konjunkturzyklen).
Auszug aus:
http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/synergetik/65058
Selbstorganisation und
Management
Das Konzept der Selbstorganisation findet
zunehmend Eingang in die
Managementtheorie und -praxis. An die
Stelle starrer „Befehlsstrukturen“ mit vielen
hierarchischen Ebenen treten „flache“
Organisationsstrukturen mit wenigen
hierarchischen Ebenen, die jeweils eigene
Entscheidungen mit Hilfe ihrer verteilten
Intelligenz treffen. Zur indirekten Steuerung
dienen von der höheren Ebene
festgesetzte Ordnungsparameter (O.P. im
Sinne der Synergetik) z.B. in Form von
Rahmenbedingungen und allgemeinen
Vorgaben. Als O.P. dienen z.B. die sich
selbst organisierenden kollektiven
Arbeitsabläufe. Das Versklavungsprinzip,
nach dem die O.P. langsam veränderlich,
die „versklavten Teile“ hingegen schnell
veränderlich (anpassungsfähig) sind, erhielt
hier neue Bedeutungen. So bestimmen
z.B. die länger Beschäftigten das
Arbeitsklima, den Arbeitsstil usw., wobei
es auch zu unerwünschten
Cliquenbildungen kommen kann.
Diesem Trend kann u.A. durch
Jobrotation entgegengewirkt werden.
Emergenz - das interdisziplinäre Konzept
Die Emergenz (lat. emergere „Auftauchen“, „Herauskommen“,
„Emporsteigen“) ist die Herausbildung von neuen Eigenschaften oder
Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente.
Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften des Systems nicht – oder
jedenfalls nicht offensichtlich – auf Eigenschaften der Elemente
zurückführen, die diese isoliert aufweisen. So wird in der Philosophie des
Geistes von einigen Philosophen die Meinung vertreten, dass Bewusstsein
eine emergente Eigenschaft des Gehirns sei. Emergente Phänomene
werden jedoch auch in der Physik, Chemie, Biologie, Psychologie oder
Soziologie beschrieben. Synonyme sind Übersummativität und
Fulguration. Analog zur Ausbildung von Eigenschaften spricht man bei der
Eliminierung von Eigenschaften von Submergenz.
Emergenz als disziplinübergreifendes Konzept: Das Phänomen der
Emergenz wird oft als Argument gegen einen reduktionistischen
naturwissenschaftlichen Atomismus angeführt. Emergenztheoretiker
bestreiten damit, dass eine vollständige Beschreibung der Welt allein
aufgrund der Kenntnis der Elementarteilchen und allgemeiner
physikalischer Gesetze prinzipiell möglich sei (vgl. Laplace'scher Dämon).
Die Anerkennung emergenter Phänomene muss allerdings nicht zu einem
Verzicht auf wissenschaftliche Erklärungen führen. Vielmehr zeigen die
Entwicklungen in der Systemtheorie und der Chaosforschung, dass
emergenzverwandte Phänomene wie Selbstorganisation und ihre
Entstehungsbedingungen durchaus systematischen und objektiv
nachvollziehbaren Erklärungen zugänglich sind. Allerdings tritt an die
Stelle der Einheit der Wissenschaft aufgrund einer hierarchischen
Ableitung aus universalen Gesetzen ein transdisziplinärer Dialog, dessen
Ziel es ist, analoge Strukturen komplexer Systeme auf unterschiedlichen
Emergenzebenen zu vergleichen.
Die Emergenz entsteht in den meisten Fällen auf Basis der spontanen
Selbstorganisation. Das Konzept der emergenten Selbstorganisation kann
man folgendermaßen beschreiben: Mehrere, viele oder sehr viele
Elemente verbinden sich auf der Basis ihrer Wechselwirkungen, die meist
nur zwischen den nächsten Nachbarn wirken, spontan zu Systemen mit
bestimmten neuen Strukturen, Eigenschaften und Fähigkeiten.
Es gibt viele unterschiedliche Arten der emergenten Selbstorganisation in
der unbelebten und der belebten Welt. Bezogen auf den Energiehaushalt
können emergente Prozesse sowohl im thermischen Gleichgewicht
verlaufen, d.h. ohne Energieaustausch mit der Umgebung, als auch unter
Abgabe (exotherm) oder Aufnahme von Energie (endotherm). Beispiele für
die Selbstorganisation im thermischen Gleichgewicht sind die Entstehung
der ferromagnetischen Ordnung und die Supraleitung. Beispiele für die
Entstehung von mehr Ordnung ohne die Zufuhr von Energie sind die Bildung
der leichten Atomkerne bis zum Eisen, die Entstehung der Atome aus Kernen
und Elektronen, die Entwicklung der Sterne, die Wechsel der
Aggregatzustände (kondensieren, erstarren) und exotherme chemische
Reaktionen. Beispiele für die Entstehung von mehr Komplexität und
Ordnung, die Energie von außen benötigt, sind die Bildung der schweren
Atomkerne jenseits vom Eisen, Konvektionsmuster in erhitzten Flüssigkeiten,
der Laser, endotherme chemische Reaktionen, und vor allem die Entstehung
und Entwicklung des Lebens, die Evolution, die geistigen Prozesse im Gehirn
und die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Diese Prozesse sind nur
weit entfernt vom thermischen Gleichgewicht möglich.
Die spontane Selbstorganisation ist in erster Linie ein zeitlicher Vorgang, ein
Prozess, führt aber meist auch zu einer dauerhaften Struktur des Systems. Es
gibt Prozesse der Selbstorganisation, die so schnell verlaufen, dass für den
Beobachter nur das Ergebnis, die geänderte Struktur, sichtbar wird, dazu
gehören beispielsweise viele exotherme chemische Reaktionen. Bei anderen
Vorgängen kann für einen Beobachter der zeitliche Verlauf im Vordergrund
steht, beispielsweise bei der Entwicklung des Lebens. Selbstorganisierte
Systeme sind in der Regel selbst wieder Elemente der Selbstorganisation und
können weitere übergeordnete Systeme bilden. Dadurch ergibt sich
schließlich eine Hierarchie von selbstorganisierten Systemen, aus der unsere
Welt aufgebaut ist. Die emergente Selbstorganisation verbindet als
durchgängiges Prinzip die materielle Welt mit der Welt des Geistes.
Aus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Emergenz
Fazit: Der Emergenzfokus bringt uns weiter!
Synthetische Evolutionstheorie -
Entstehung der Arten und ihre Adaption
Die Synthetische Evolutionstheorie vereint die Erkenntnisse aus Darwins
Evolutionstheorie mit denen der Ökologie, Paläontologie, biologischen Systematik
und der Genetik. Insbesondere die Vererbungslehre (Genetik) war zum Zeitpunkt
der Veröffentlichung von Darwins "On the Origin of Species" 1859 noch gänzlich
unbekannt. Erst die Erkenntnisse von Gregor Mendel öffneten Tür und Tor für die
Wissenschaft hinsichtlich der Vererbung von Merkmalen. Die Entdeckung der
molekularen Struktur der DNA durch Watson & Crick, sowie die Entschlüsslung des
genetischen Codes durch Warren & Matthaei waren grundlegende Fortschritte zur
Stützung der Evolutionstheorie auf molekularer Ebene.
In der Wissenschaft gilt die Synthetische Evolutionstheorie als die am besten
gesicherte Theorie zur Entstehung der Arten.
Darwin konstatierte aus seinen Beobachtungen insgesamt vier wichtige Faktoren:
1. Es werden immer mehr Nachkommen erzeugt, als zur Arterhaltung eigentlich
nötig wären (Reproduktion).
2. Die Individuen einer Populationen sind nie gleich und unterscheiden sich immer
in ihrem Aussehen voneinander (Variation).
3. Besser angepasste Individuen pflanzen sich im Vergleich zu schlechter
angepassten Individuen häufiger fort (Selektion), auch unter dem Begriff "survival
of the fittest" bekannt.
4. Die Merkmale der Individuen werden an ihre Nachkommen weitergegeben und
treten dort zu einem gewissen Teil wieder auf (Vererbung).
Die Synthetische Evolutionstheorie geht von fünf zentralen
Evolutionsfaktoren aus, die sowohl die Entstehung von Arten, als auch deren
phänotypische- und genotypische Zusammensetzung erklären:
1. Mutation
Unter einer Mutation versteht man die Veränderung des Erbguts. Zunächst einmal
müssen drei verschiedene Arten der Mutationen unterschieden werden.
1. Genmutation: Veränderung eines einzelnen Gens.
2. Chromosomenmutation: Veränderung der Chromosomenstruktur.
3. Genommutation: Veränderung der Anzahl der Chromosomen.
Mutationen haben zwei Merkmale. Sie treten zufällig und ungerichtet auf. Das
bedeutet soviel wie, dass ihr Auftreten keinen direkten Zweck verfolgt. Außerdem
treten Mutationen zeitlich spontan auf. Die Wahrscheinlichkeit zur Mutation kann
durch sogenannte Mutagene jedoch deutlich erhöht werden. Darunter zählen
chemische Stoffe, Radioaktivität, UV-Strahlung und auch Röntgenstrahlung.
2. Rekombination
Unter Rekombination versteht man die Neuverteilung von Erbgut
während der Meiose. Die Rekombination macht es quasi unmöglich,
das zwei identische Nachkommen gezeugt werden und ist somit
maßgeblich für eine hohe genetische Variabilität.
Im Gegensatz zum Evolutionsfaktor Mutation, die neue Variationen
schafft, sorgt die Rekombination nur für eine Andersverteilung des
vorhandenden(!) genetischen Materials. Damit findet keine
Veränderung des Genpools. statt.
3. Selektion
Selektion besteht in weitem Sinne aus drei Formen:
Natürliche Selektion: An ihre Umwelt besser angepasste Lebewesen,
erhöhen die Wahrscheinlichkeit zur Weitergabe ihrer Gene als
schlechter angepasste Lebewesen.
Sexuelle Selektion: Innerartliche Auswahl von Sexualpartnern, die
sich aus der Konkurrenz um Fortpflanzungspartnern ergibt. Sexuelle
Selektion erklärt auch zahlreiche Phänotypische Ausprägungen, die
im Sinne der natürlichen Selektion eigentlich von Nachteil wären (z.B.
das Federkleid des Pfau. Dieses ist hinderlich bei der Flucht vor
Räubern, ist aber wichtiges "Balzmittel")
Künstliche Selektion: vom Menschen gesteuerte Selektion zur
Förderung bestimmter Merkmale bei Tier- und Pflanzenarten (z.B.
höhere Milchleistung von Kühen, gegen Krankheiten restistente
Nutzpflanzen wie Weizen oder Kleintierzucht)
4. Gendrift
Unter Gendrift versteht man die zufällige Veränderung der
Genhäufigkeit eines bestimmten Allels innerhalb einer Population.
Besonders bei kleinen Populationen ist der Gendrift bedeutend, weil
Allele relativ schnell aus dem Genpool der Population verschwinden
können. Aber auch das genaue Gegenteil ist möglich, nämlich das
bestimmte Gene plötzlich extrem häufig in einer Population
auftauchen, etwa nach Naturkatastrophen, wenn nur noch wenige
Individuen überlebt haben und viele von ihnen ein zuvor noch
seltenes Allel in sich tragen.
5. Isolation
Bei einer reproduktiven Isolation besteht kein Genfluss mehr durch
eine, oder mehrere Fortpflanzungsbarrieren. Fortpflanzungsbarrieren
können innerartlich, aber auch außerartlich wirken und führen
dauerhaft zum Entstehen einer neuen Art (Ausnahme: Isolation
durch Sterilität).
Zusammenfassung:
Die Synthetische Evolutionstheorie vereint Erkenntnisse aus allen
Teilbereichen der Biologie und gilt als plausibelste Theorie zur
Entwicklung des Lebens.
Auszug aus:
http://www.biologie-schule.de/synthetische-evolutionstheorie.php
Evolutionäre Erkenntnistheorie -
Das Schlüssel - Schloss - Prinzip
Die Evolutionäre Erkenntnistheorie - auch als Philosophie des 20. /21. Jahrhunderts
bezeichnet - ist eine Auffassung, die einzelwissenschaftliche und philosophische
Elemente in fruchtbarer Weise miteinander verbindet. Sie geht aus von der
empirischen Tatsache, dass unsere kognitiven Strukturen – Sinnesorgane,
Zentralnervensystem, Gehirn; Wahrnehmungsleistungen, Raumanschauung,
Vorstellungsvermögen, Zeitsinn; Lerndispositionen, Verrechnungsmechanismen,
konstruktive Vorurteile usw. –, mit deren Hilfe wir die objektiven Strukturen (der realen
Welt) intern rekonstruieren, in hervorragender Weise auf die Umwelt passen, zum Teil
sogar mit ihr übereinstimmen. Dieser Passungscharakter darf durchaus im
werkzeugtechnischen Sinne verstanden werden: Wie ein Schlüssel in ein Schloss
(Schlüssel-Schloss-Prinzip) oder ein Werkzeug auf ein Werkstück passt, so passt unser
Erkenntnisapparat auf den uns unmittelbar zugänglichen Ausschnitt der realen Welt.
Da ohne diese Passung Erkenntnis überhaupt nicht möglich wäre, ist sie auch
erkenntnistheoretisch höchst relevant. Wie kommt es zu dieser Passung? Unser
Erkenntnisapparat mit seinen Strukturen und Leistungen ist ein Ergebnis der
biologischen Evolution.
Die (subjektiven) Erkenntnisstrukturen passen auf die (objektiven) Strukturen der Welt,
weil sie sich in Anpassung an diese Welt herausgebildet haben. Und sie stimmen mit
den realen Strukturen überein, weil nur eine solche Übereinstimmung das Überleben
ermöglichte.
Nach der Evolutionäre Erkenntnistheorie ist unser Gehirn nicht als
Erkenntnis-, sondern als Überlebensorgan entstanden. Seine
Funktionen, Leistungen, Mechanismen, Algorithmen usw. sind, wie man
gerade an seinen Fehlleistungen feststellen kann, auf den Mesokosmos
zugeschnitten, auf eine Welt mittlerer Dimensionen und geringer
Komplexität. In diesem Bereich arbeiten unsere kognitiven Strukturen
auch durchaus zuverlässig. Außerhalb des Mesokosmos können sie
dagegen versagen. Tatsächlich stoßen wir bei der Erforschung des
Mikrokosmos, des Megakosmos und komplizierter Systeme regelmäßig
auf Schwierigkeiten. Die Evolutionäre Erkenntnistheorie ist in der Lage,
diese Leistungen und Fehlleistungen unseres Erkenntnisapparates zu
erklären.Die mesokosmische Passung unserer kognitiven Strukturen
bedeutet nicht, dass unser Erkenntnisvermögen unhintergehbar auf den
Mesokosmos beschränkt wäre. Neben Wahrnehmungs- und
Erfahrungserkenntnis, die in der Tat mesokosmisch geprägt sind, gibt es
noch eine weitere Erkenntnisstufe, die theoretische (oder
wissenschaftliche) Erkenntnis.
Aus:
http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/erkenntnistheorie-und-
biologie-evolutionaere-erkenntnistheorie/22339
Radikaler Konstruktivismus -
Theorie des Wissens
Der Radikale Konstruktivismus ist eine Position der Erkenntnistheorie, die sich deutlich
von anderen Konstruktivismen unterscheidet. Eine der Grundannahmen des radikalen
Konstruktivismus ist, dass die persönliche Wahrnehmung nicht das Abbild einer
Realität produzieren kann, welche unabhängig vom Individuum besteht, sondern dass
"Realität" für jedes Individuum immer nur eine Konstruktion seiner eigenen
Sinnesreize und seiner Gedächtnisleistung bedeutet. Deshalb ist Objektivität im Sinne
einer Übereinstimmung von wahrgenommenem (konstruiertem) Bild und Realität
unmöglich; jede Wahrnehmung ist vollständig subjektiv. Darin besteht die Radikalität
(Kompromisslosigkeit) des radikalen Konstruktivismus.
Als Begründer des radikalen Konstruktivismus gilt Ernst von Glasersfeld. Nach
Glasersfeld ist das Kernproblem der abendländischen Epistemologie: „Erkennen zu
wollen, was außerhalb der Erlebniswelt liegt“. Dieses Problem ist nach dem radikalen
Konstruktivismus nicht zu lösen, sondern zu umgehen; Anregungen dazu hatte
Glasersfeld in den Arbeiten des Psychologen und Epistemologen Jean Piaget gefunden:
Schon Piaget habe erklärt, „dass die kognitiven Strukturen, die wir ‚Wissen‘ nennen,
nicht als ‚Kopie der Wirklichkeit‘ verstanden werden dürfen, sondern vielmehr als
Ergebnis der Anpassung“. E. v. Glasersfeld prägt dafür den Begriff Viabilität. Mit diesem
Begriff wird zwischen „einer ikonischen Beziehung der Übereinstimmung oder
Widerspiegelung“ und einer „Beziehung des Passens“ unterschieden. Damit sei die
Illusion überwunden, dass die „empirische Bestätigung einer Hypothese oder der
Erfolg einer Handlungsweise Erkenntnis einer objektiven Welt bedeuten.“ Dem
radikalen Konstruktivismus werden auch der Biophysiker und Kybernetiker Heinz von
Foerster und die Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela als
Hauptvertreter zugerechnet, auch wenn die beiden Letzteren nicht als
Konstruktivisten bezeichnet werden möchten.
Gehirn
Interpretation
(zirkulär)
Realität
Sinneseindrücke
Aufmerksamkeit
(Beobachtung)
(begrenzt erfassbar)
Maturana und Varela entwickelten das Konzept der Autopoiesis, das
auch in geistes- und sozialwissenschaftliche Bereiche ausstrahlte,
z. B. in den 1980er Jahren in die soziologische Systemtheorie von
Niklas Luhmann. Heinz v. Foerster formulierte eine kybernetische
Epistemologie, d. h. eine Theorie des Wissenserwerbs auf der
Grundlage der Kybernetik. Grundprinzipien des radikalen
Konstruktivismus sind – mit Bezug auf Piaget:
1.
Wissen wird nicht passiv aufgenommen, weder durch die
Sinnesorgane noch durch Kommunikation.
2.
Wissen wird vom denkenden Subjekt aktiv aufgebaut.
3.
Die Funktion der Kognition ist adaptiver Art, und zwar im
biologischen Sinn des Wortes, und zielt auf Passung oder
Viabilität.
4.
Kognition dient der Organisation der Erfahrungswelt des
Subjekts und nicht der ‚Erkenntnis‘ einer objektiven,
ontologischen Realität.“
Im Gegensatz zur Erkenntnistheorie Kants versteht sich der radikale
Konstruktivismus als eine Theorie des Wissens. Wissen ist damit „ein
Werkzeug, das nach seiner Nützlichkeit beurteilt werden muss und
nicht als metaphysischer Entwurf anzusehen ist. Von Glasersfeld
schließt daraus, dass kognitive Organismen mindestens vier
Merkmale besitzen müssen:
1.
die Fähigkeit, und darüber hinaus die Neigung, im Strom der
Erfahrung Wiederholungen festzustellen
2.
die Fähigkeit zur Erinnerung, Erfahrungen wieder aufzurufen,
also zu repräsentieren
3.
die Fähigkeit, Vergleiche und Urteile in Bezug auf Ähnlichkeit
und Unterschiedlichkeit vorzunehmen
4.
die Eigenschaft, gewisse Erfahrungen anderen vorzuziehen und
somit elementare Wertekriterien zu besitzen
Das Individuum baut daher Handlungsschemata auf, um adäquat
mit der Welt umzugehen.
Auszug aus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Radikaler_Konstruktivismus
Was können wir wissen ?
Die Frage danach was wir wissen
können hört sich im ersten
Moment sehr abstrakt an, genauso
wie die Suche nach Wahrheit. Was
die Erkenntnistheorie für den Alltag
anschaulicher macht, ist der Begriff
der Realität, die Frage danach, was
Realität ist und ob sie in einer
objektiven Welt existiert oder bloß
subjektiver Natur ist. Es gibt
unterschiedliche Ansätze dazu, was
real ist. Besonders wichtig sind der
Pragmatismus und der radikale
Konstruktivismus. Ersteres besagt,
dass etwas real ist, wenn es als
Konsequenz aus menschlichem
Handeln und Denken hervorgeht.
Dem Pragmatismus zu Folge wäre
die Antwort auf die metaphysische
Frage, ob es einen Gott gibt oder
nicht, solange „ja“, wie es Menschen
gibt, die an einen Gott glauben und
ihr Handeln nach diesem richten.
Sobald Menschen dies nicht mehr
tun, sagt ein Pragmatist, dass Gott
nicht mehr real ist. Ganz ähnlich
sind die Aussagen des radikalen
Konstruktivismus. Darunter
versteht man, dass eine
Wahrnehmung die Realität nie
unabhängig vom Bewusstsein
abbildet. Jedes Individuum
konstruiert sich seine eigene
Realität und eine objektive
Bestimmung der Welt sei damit
unmöglich. Der Unterschied ist
allerdings, dass der radikale
Konstruktivismus eine vom
Individuum unabhängige Realität
nicht gänzlich abstreitet.
Auszug aus:
http://konstruktivismus.net/erkennt
nistheorie-die-frage-danach-was-
wir-wissen-koennen/
Integrativer Pluralismus -
Die neue Art des Verstehens
Die revolutionären Veränderungen unserer wissenschaftlichen
Weltbilder wird in einen Metarahmen eingeordnet, der mit Capra
(1991; 1992) ganzheitliches Paradigma benannt wird. Dieses Vorgehen
lag auf der Hand, da in vielen Konzeptionen nicht nur das
reduktionistisch orientierte kartesianisch-newtonsche Denken
gesprengt wird, sondern auch sich gleichende Erklärungsmuster
entfaltet werden - z.B. Monismus statt Dualismus, Orientierung auf
dynamische Wechselbeziehungen, Entlarvung des
Objektivitätspostulats als Illusion etc.
Insbesondere der Wechsel von einem Paradigma, das Objektivität
postuliert, zu einem Weltbild, welches anhand von physikalischen bzw.
kybernetisch oder systemtheoretisch modellierten Beispielen zeigt,
dass keine Beschreibung von komplexen Prozessen unserer
Wirklichkeit unabhängig von den Beobachtern zu verstehen ist, hat
weitreichende Konsequenzen. Zunächst einmal wird uns abverlangt,
kontextuell zu denken, d.h. unter anderem, dass wir die Perspektive,
aus der wir Prozesse beobachten, bei ihrer Beschreibung zu beachten
haben. So dürfte es wohl klar sein, dass trotz der Erkenntnisse aus der
modernen Physik die Gesetze der Newtonschen Mechanik bei der
Betrachtung bestimmter Ausschnitte unserer Wirklichkeit weiterhin
gelten: Der Apfel fällt nach wie vor von oben nach unten; was jeder
ausprobieren und trotz konstruktivistischer Erkenntnistheorie auch als
objektive Tatsache ansehen kann.
Da die Erscheinungsweise unserer Wirklichkeit dermaßen komplex ist
und gleichzeitig untrennbar mit uns selbst verbunden, um nicht zu
sagen: mit uns identisch zu sein scheint, bringen Perspektivenwechsel
unterschiedliche Beobachtungsinhalte ans Tageslicht.
Daher sind wir eigentlich ständig mit der Notwendigkeit konfrontiert,
unsere Weltanschauungen zu modifizieren. In diesem Sinne pendeln
wir jeden Tag zwischen verschiedenen Paradigmen hin und her. Dazu
sind wir in der „postmodernen“ Gegenwart mehr denn je
aufgefordert, da unsere gesellschaftliche Realität immer
differenziertere kulturelle Moden, Weltanschauungen, Lebenswelten,
Normen, Werte usw. offenbart. Was sich aus der Sichtweise der einen
als sinnvolle und wertvolle Anschauung, politische Orientierung oder
Lebensmöglichkeit darstellt, erscheint für die anderen als sinnlos und
unverständlich, während es sich im Prinzip um zwei genauso legitime
und adäquate Weltsichten oder Paradigmen handelt, die lediglich
andere Perspektiven aufzeigen.
Daher offenbaren uns die Wechsel von Weltbildern im Prinzip nichts
anderes als die Relativität unserer jeweiligen Weltinhalte: Alles, was
wir beobachten, ist abhängig von dem Bezugssystem, dem Kontext, in
welchem wir uns eine Realität konstruieren. Da nun unendlich viele
Kontexte denkbar sind, kann dem daraus abgeleiteten Relativismus
eigentlich nur ein Pluralismus gegenüberstehen, der die Komplexität,
die Vielheit unserer Weltinhalte aufnimmt. Mit einem derartigen
Pluralismus ist Dogmatik und Autorität unvereinbar.
Auszug aus:
http://www.ibs-networld.de/Ferkel/Archiv/kleve-h-03-
04%20paradigmenwechsel.html
Pluralismus - Die neue Art des Verstehens
Meine These lautet, so die US-Philosophin Sandra
Mitchell: Komplexität liegt nicht außerhalb unseres
Verständnisvermögens, aber sie erfordert eine neue
Art des Verstehens. Sie verlangt, dass man im
Einzelnen analysiert, in welch vielfältiger Weise der
Zusammenhang dazu beiträgt, die Naturphänomene
zu prägen. Historische Kontingenz schafft im
Zusammenwirken mit Zufallsepisoden die
tatsächlichen Formen und Verhaltensweisen, mit
denen das Lebendige unseren Planeten bevölkert. Der
neue erkenntnistheoretische Ansatz, der diese
Tatsachen in sich einschließt, hat unter anderem
folgende Merkmale:
•
Pluralismus: Einbeziehung zahlreicher
Erklärungen und Modelle auf vielen Analyseebenen
anstelle der Erwartung, es müsse immer auf der
untersten Ebene eine einzige, reduktive Erklärung
geben.
•
Pragmatismus anstelle des Absolutismus: Es wird
anerkannt, dass es viele Wege gibt, um das Wesen der
Natur zutreffend - allerdings auch nur teilweise - zu
beschreiben. Darunter sind verschiedene Grade der
Verallgemeinerung und verschiedene
Abstraktionsebenen. Welche Darstellung am besten
"funktioniert", hängt von unseren Interessen und
Fähigkeiten ab.
•
Der im Wesentlichen dynamische, an der
Evolution orientierte, von Rückkopplung geprägter
Charakter der Teilbereiche der Natur und unserer
Kenntnisse über sie. Diese Merkmale erfordern, dass
wir neue Mittel zur Erforschung der Natur finden und
auf Grund des so gewonnenen Wissens handeln.
Mitchell setzt sich für einen pluralistisch-realistischen
Ansatz der Ontologie ein; er besagt nicht, dass es
verschiedene Welten gebe, aber es gibt demnach
mehrere richtige, einander ergänzende Wege, um
unsere Welt zu analysieren: Dabei werden
verschiedene Gegenstände und Prozesse
herausgegriffen, in denen sich sowohl die
Kausalstrukturen als auch unsere Interessen
widerspiegeln. Die Vorstellung, es gebe für die Welt nur
eine richtige Darstellung, die genau ihre natürlichen
Entsprechungen wiedergibt, ist vermessen. Jede
Darstellung ist im besten Fall partiell, idealisiert und
abstrakt. Diese Eigenschaften machen Darstellungen
nützlich, aber sie setzen auch Grenzen für unsere
Behauptungen über die Vollständigkeit jeder einzelnen
Darstellung.
Auszug aus:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/natur-
und-erkenntnis-die-weltformel-ist-tot-a-556283.html