Wissen & Kompetenz
Hintergrund
Was Menschen lernen, was sie an Bildung erfahren, welche
Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kenntnisse und Qualifikationen sie erwerben
bzw. über welches Wissen sie verfügen sollen – hierüber wird nicht erst
seit TIMSS und PISA nachgedacht. Aber diese internationalen
Schulleistungsstudien haben neue Begrifflichkeiten geschaffen:
Kompetenz steht seither im Zentrum pädagogischer Überlegungen.
Dementsprechend findet der Begriff zunehmend Eingang sowohl in
verschiedenartige Steuerungsinstrumente auf nationaler Ebene (z. B.
Lehrpläne, KMK-Bildungsstandards, Einheitliche
Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung – EPA) als auch in
internationale Projekte (z. B. European Qualifications Framework – EQF,
European Credit Transfer System – ECTS). Dennoch wird der
Kompetenzbegriff auf wissenschaftlicher Seite noch immer kontrovers
diskutiert und in der Praxis äußerst variantenreich verwendet.
Begrifflichkeiten
Während Bildung im Sinne von Humboldt nicht in erster Linie auf
materielle Verwertbarkeit zielt, sondern als Wert an sich gesehen wird,
steht beim Kompetenzbegriff die Anwendbarkeit von Kenntnissen und
Fertigkeiten deutlicher im Vordergrund.
Kompetenz
F. E. Weinert hat 1999 in einem Gutachten für die OECD verschiedene
Definitionsmöglichkeiten aufgezeigt und 2001 die heute in Deutschland
meistzitierte Variante formuliert. Danach sind Kompetenzen „die bei
Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven
Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie
die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen
Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen
Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“.
Individuelle Kompetenz umfasst also netzartig zusammenwirkende
Facetten wie Wissen, Fähigkeit, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung
und Motivation. Sie wird verstanden als Disposition, die eine Person
befähigt, konkrete Anforderungssituationen eines bestimmten Typs zu
bewältigen (vgl. Klieme ), und äußert sich in der Performanz, also der
tatsächlich erbrachten Leistung. Diese Auffassung von Kompetenz liegt
im Wesentlichen sowohl der Konzeption der PISA-Studie als auch den in
den letzten Jahren entwickelten KMK-Bildungsstandards zu Grunde.
Letztere konzentrieren sich dabei auf fachspezifische kognitive und
damit relativ gut überprüfbare Leistungsbereiche. Sofern übergreifende
Fähigkeiten wie Denkvermögen, Argumentations- und
Problemlösefähigkeit sowie der Umgang mit Präsentationstechniken
ausgewiesen werden, sind sie als Kompetenzen innerhalb der
fachspezifischen Bildungsstandards beschrieben. Dies stützt die
Auffassung, dass derartige Kompetenzen nicht isoliert, sondern nur mit
inhaltlichem Bezug vermittelt werden können.
Qualifikation
Voneinander abzugrenzen sind die häufig synonym verwendeten
Begriffe „Kompetenz“ und „Qualifikation“: Während „Kompetenz“
individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten beschreibt, drückt der Begriff
„Qualifikation“ eine konkrete, personenunabhängige Befähigung bzw.
Eignung aus, eine Tätigkeit regelmäßig auf einem bestimmten Niveau
ausführen zu können.
Unter Qualifikation wird häufig auch der
Nachweis dieser Befähigung verstanden (z. B. Führerschein) und
damit die Berechtigung zu einem bestimmten Tun. Kompetenzen
sind insofern Voraussetzung für den Erwerb von Qualifikationen.
Systematisierungsansätze
Bei dem Versuch, „Kompetenz“ weiter zu spezifizieren und für die
Schule – z. B. über Lehrpläne – zu konkretisieren, ergibt sich das
Problem der Einteilung in trennscharfe Kategorien. Je nach
Blickwinkel lassen sich jedoch Kompetenzdimensionen
identifizieren, die verschiedene Facetten beschreiben. Weit
verbreitet ist die Unterscheidung der nachstehenden Dimensionen,
die sich in Anlehnung an die KMK (KMK 2004, S. 9 ff.) wie folgt
beschreiben lassen:
Selbst-, Personal-, Human- und Handlungskompetenz.
Hierunter versteht man die Befähigung und Bereitschaft, eigene Begabungen
und Fähigkeiten zu erkennen und zu entfalten, Identität und durchdachte
Wertvorstellungen zu entwickeln sowie Lebenspläne zu fassen und zu
verfolgen. Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit,
Konzentrationsfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit,
Leistungsbereitschaft sowie Verantwortungsbewusstsein.
Sozialkompetenz
Hierunter versteht man die Befähigung und Bereitschaft, soziale Beziehungen
aufzubauen und zu gestalten sowie sich mit anderen rational und
verantwortungsbewusst auseinander zu setzen und zu verständigen. Sie
umfasst Eigenschaften wie Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Bereitschaft zu
Toleranz und Solidarität, Gemeinschaftssinn, Hilfsbereitschaft oder
Kommunikationsfähigkeit.
Methodenkompetenz
Methodenkompetenz bezeichnet die Befähigung und Bereitschaft zu
zielgerichtetem, strukturiertem und effektivem Vorgehen bei der Bearbeitung
von Aufgaben und Problemen. Dazu gehört es, gelernte Denkmethoden,
Arbeitsverfahren, Lösungs- oder Lernstrategien fachlicher und überfachlicher
Natur selbstständig anwenden, reflektieren und weiterentwickeln zu können.
Sach- bzw. Fachkompetenz
Hierunter versteht man die Befähigung und Bereitschaft, Aufgaben und
Probleme mit Hilfe fachlicher Kenntnisse und Fertigkeiten zielorientiert,
sachgerecht und selbstständig zu bewältigen sowie das Ergebnis zu beurteilen.
Handlungskompetenz
Darüber hinaus wird häufig von Handlungskompetenz gesprochen. Während
dieser Begriff im allgemein bildenden Bereich derzeit nicht einheitlich
verwendet wird, steht er im berufs- und wirtschaftspädagogischen Bereich für
das Leitziel beruflicher Bildung schlechthin. Die KMK definiert
Handlungskompetenz als „die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich
in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht
durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“.
Handlungskompetenz entfaltet sich dabei in den bereits beschriebenen
Dimensionen „Fachkompetenz“, „Humankompetenz“ und „Sozialkompetenz“.
Im Gegensatz zur obigen Einteilung wird hier die Methodenkompetenz als
integraler Bestandteil der drei Hauptkategorien gesehen. Dies gilt ebenso für
die sog. „kommunikative Kompetenz“ (im Wesentlichen die Befähigung und
Bereitschaft, kommunikative Situationen zu verstehen und reflektiert zu
gestalten) und die „Lernkompetenz“ (insbesondere die Befähigung und
Bereitschaft, Lerntechniken und -strategien zu entwickeln und diese in neuen
Situationen anzuwenden).
Schlüsselkompetenzen
Unabhängig vom verwendeten Systematisierungsansatz finden sich in den
verschiedenen Dimensionen sog. Schlüsselkompetenzen, d. h. Kompetenzen,
die für die persönliche und soziale Entwicklung eines jeden Menschen in
modernen Gesellschaften wesentlich sind.tl
Gemäß OECD spricht man von Schlüsselkompetenzen,
sofern folgende drei
Kriterien erfüllt sind:
1.
Sie tragen zum Erfolg auf der individuellen und gesellschaftlichen Ebene
bei.
2.
Sie werden benötigt, um bedeutsame komplexe Anforderungen bzw.
Herausforderungen in möglichst vielen Kontexten bewältigen zu können.
3.
Sie sind für alle Individuen von Bedeutung.
Gemeint sind also insbesondere Kompetenzen, die es erlauben, sich in
verschiedenen Situationen der privaten und beruflichen Lebenswelt
zurechtzufinden und diese mitzugestalten. Es bleibt die Frage, wie sich
allgemeine Schlüsselkompetenzen im Unterricht am besten fördern lassen. Da
sie ein breites Spektrum an Kompetenzen umschreiben und teils auch
persönliche Einstellungen betreffen, fällt es schwer, konkrete
Rahmenbedingungen oder Maßnahmen zu ihrer Förderung zu benennen.
Allerdings zeigen Erkenntnisse der Kognitionswissenschaften, dass z. B.
Problemlöse- und Lernkompetenz nur im engen Verbund mit der Vermittlung
inhaltlichen Wissens erworben werden können. Weinert fordert zudem ein
beständiges Ausbalancieren zwischen inhaltlichem Wissenserwerb und der
Vermittlung allgemeiner Schlüsselkompetenzen auf unterschiedlichen
Allgemeinheitsebenen.
Aus:
http://www.kompas.bayern.de/userfiles/infokompetenz.pdf